Donnerstag, 27. September 2018

Deutsche Kultusminister: Was sie waren, bevor sie’s wurden


Seit meinem gestrigen Artikel zum Wahnsinn des Deutschunterrichts beschäftigt mich einmal mehr die Frage: Welche Ausbildung haben eigentlich bundesdeutsche Bildungsminister, wenn sie jahrelang einen methodischen Humbug in der Rechtschreib-Ausbildung nicht bemerken, der eine ganze Generation zu halben Analphabeten machte?

Ich habe das einmal recherchiert:

Bund: Anja Karliczek (CDU) ist seit diesem Jahr Bundesministerin für Bildung und Forschung. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau und arbeitete im elterlichen Hotelbetrieb. Weiterhin erlernte sie den Beruf der Hotelfachfrau und studierte Betriebswirtschaftslehre mit dem Abschluss Diplom-Kauffrau. Ihre politische Laufbahn führte über den Stadtrat Tecklenburg, wo sie 2011 Fraktionsvorsitzende wurde. Seit 2013 ist sie Mitglied des Bundestags und wurde 2017 Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion.

Baden-Württemberg: Susanne Eisenmann (CDU) studierte Germanistik, Linguistik und Politikwissenschaft und erlangte den Magister Artium. Anschließend promovierte sie im Fachbereich Philosophie mit einer Dissertation über den mittelalterlichen Prediger Johann Geiler von Kaysersberg. Sie wurde Mitglied des Stuttgarter Gemeinderats, dann Fraktionsvorsitzende und schließlich Bürgermeisterin für Kultus, Jugend und Sport. Seit 2016 ist sie Landesministerin für diesen Bereich.

Bayern: Bernd Sibler (CSU) studierte nach dem Abitur Deutsch und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien. Nach seinem Referendariat (1995-1997) war er ein Jahr Lehrer am Gymnasium, seit 1998 ist er Abgeordneter im Bayerischen Landtag. 2007 und 2008 war er Staatssekretär im Ministerium für Unterricht und Kultus, dann wieder ab 2011. Seit diesem Jahr ist er Kultusminister.

Berlin: Sandra Scheeres (SPD) absolvierte eine Ausbildung zur Erzieherin und studierte im Anschluss Pädagogik mit dem Abschluss als Diplom-Pädagogin 1999. Nach vierjähriger Mitarbeit in einem Bundesmodellprojekt für soziale Brennpunkte war sie ab 2003 Wissenschaftliche Referentin bei der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe. Von 2011 bis 2016 war sie Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Für Bildung und Jugend ist sie seit 2011 als Senatorin zuständig.

Brandenburg: Britta Ernst (SPD) absolvierte nach dem Abitur eine Berufsausbildung zur Kauffrau der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Anschließend belegte sie ein Studium zur Diplom-Sozialökonomin. Sie war von 1997 bis 2011 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft sowie von 2014 bis zum 2017 Ministerin für Schule und berufliche Bildung in Schleswig-Holstein. Seit 2017 ist Ernst brandenburgische Ministerin für Bildung, Jugend und Sport. Sie ist verheiratet mit dem Vizekanzler Olaf Scholz.

Bremen: Claudia Bogedan (SPD) ist seit 2015 Senatorin für Kinder und Bildung im Senat der Freien Hansestadt Bremen. Sie studierte von 1994 bis 2001 Sozialwissenschaften und wurde 2009 zum Dr.rer.pol. promoviert.
Von 2001 bis 2003 war sie Geschäftsführerin des Politischen Bildungswerks Verein zur Förderung politischen Handelns in Bonn. Sie war von 2003 bis 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen. Seit 2007 war sie als Referentin am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zu Fragen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik tätig; von 2011 bis 2015 war sie hier Leiterin der Abteilung Forschungsförderung und des Referates Erwerbsarbeit im Wandel.

Hamburg: Ties Rabe (SPD) ist seit 2011 Hamburger Senator für Schule und Berufsbildung und war zuvor ab 2008 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Nach dem Abitur absolvierte Rabe von 1981 bis 1989 ein Lehramtsstudium für Religion, Deutsch und Geschichte. Von 1990 bis 2002 war er Redakteur und Redaktionsleiter im Elbe-Wochenblatt-Verlag und von 2002 bis zu seiner Entlassung 2006 Landesgeschäftsführer der SPD Hamburg. Von 2006 bis zu seiner Ernennung zum Senator 2011 arbeitete Rabe als Lehrer am Gymnasium.

Hessen: Ralph Alexander Lorz (CDU) ist seit 2014 hessischer Kultusminister, zuvor war er 2007 bis 2009 Staatssekretär für Wissenschaft und Kunst, ab 2012 Staatssekretär im Kultusministerium. Er studierte Jura und Volkswirtschaftslehre; nach dem Referendariat und der Promotion zum Dr. jur. legte Lorz 1993 die Zweite juristische Staatsprüfung ab. Während eines Aufenthalts in den USA erwarb er an der Harvard Law School den Titel Master of Laws und absolvierte ein Praktikum bei einer Anwaltsfirma und erlangte die US-Anwaltszulassung. Nach der Rückkehr nach Deutschland 1994 wirkte Lorz bis 2000 als wissenschaftlicher Assistent. Er habilitierte sich 1999 und erhielt im Jahr 2000 einen Lehrstuhl als ordentlicher Professor für deutsches und ausländisches öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht. 2012 fungierte er als Dekan einer juristischen Fakultät.

Mecklenburg-Vorpommern: Birgit Hesse (SPD) ist seit 2016 Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur; vorher war sie von 2014 bis 2016 Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales. Nach dem Abitur studierte Hesse Jura und legte beide Staatsexamina ab. 2002 trat sie in den Dienst der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern ein. Daneben studierte sie von 2002 bis 2004 an der Polizei-Führungsakademie in Münster und war von 2003 bis 2004 Leiterin eines Polizeireviers. Von 2004 bis 2005 fungierte Hesse als Verkehrsreferentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern. 2008 und 2011 wurde sie zur Landrätin des Kreises Nordwestmecklenburg gewählt, 2016 dann in den Landtag.

Niedersachsen: Grant Hendrik Tonne (SPD) studierte nach dem Abitur Jura, legte beide Staatsexamina ab und ist als selbstständiger Rechtsanwalt tätig. Er fungierte als Gemeinde- und Kreisrat, seit 2006 auch als stellvertretender Kreistagsvorsitzender und Bürgermeister der Gemeinde Leese. Von 2008 bis 2017 war er Mitglied des niedersächsischen Landtags, an 2013 auch parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Seit 2017 ist er Kultusminister.

Nordrhein-Westfalen: Yvonne Gebauer (FDP) ist seit 2012 Mitglied des Landtags und seit 2017 Ministerin für Schule und Bildung. Sie war 2004 bis 2012 Mitglied des Rates der Stadt Köln und auch schulpolitische Sprecherin. Nach dem Abitur wurde sie Rechtsanwalts-Fachangestellte. In diesem Beruf arbeitete sie bis 1989, dann bis 1992 als Assistentin eines Bundestagsabgeordneten. Ab 1994 führte sie ein Boardinghouse (eine Art Hotel für Kunden aus dem Geschäftsleben). 2004 machte sich Gebauer in der Immobilienbranche selbstständig.

Rheinland-Pfalz: Stefanie Hubig (SPD) ist seit 2016 Ministerin für Bildung. Nach dem Abitur studierte sie Jura, legte beide Staatsexamina ab und promovierte in diesem Fach 2003. Ab 1996 war sie in verschiedensten Funktionen des juristischen Bereichs tätig, u.a. als Staatsanwältin, Richterin, Referatsleiterin und Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, schließlich in der Landesregierung von Rheinland-Pfalz.

Saarland: Ulrich Commerçon (SPD) ist seit 2012 Minister für Bildung und Kultur. Von 1989 bis 1993 studierte er slawische Sprach- und Literaturwissenschaften, von 1993 bis 1999 schloss sich ein Studium der Politikwissenschaft, der Philosophie und der Neueren Geschichte an. 1999 wurde ihm der Grad eines Magister Artium der Politikwissenschaft verliehen. Seine Parteikarriere führte ihn über die Jusos bis in den SPD-Landesvorstand. Seit 1999 ist er Mitglied des Landtags, wo er als Vorsitzender des Umweltausschusses und stellvertretender Fraktionschef fungierte.

Sachsen: Christian Piwarz (CDU) ist seit 2017 Staatsminister für Kultus. Nach dem Abitur studierte er Jura, legte beide Staatsexamina ab und arbeitet als Rechtsanwalt in einer Kanzlei. Seit 2006 gehört er dem Landtag an und fungiert dort als stellvertretender Fraktionschef und Fraktions-Geschäftsführer.

Sachsen-Anhalt: Marco Tullner (CDU) studierte nach dem Abitur Geschichte und Politikwissenschaft (Magisterabschluss). Seine Parteikariere verlief über Ortsverbands- und Kreisvorsitz bis in den Landtag (Abgeordneter von 2002 bis 2011 und wieder ab 2016). 2011 wurde er Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft, 2016 Minister für Bildung.

Schleswig-Holstein: Karin Prien (CDU) ist seit 2017 Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Nach dem Abitur studierte sie Jura, legte beide Staatsexamina ab und ist seit 1994 selbständige Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Insolvenzrecht, seit 2008 auch Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht. Ihr politischer Weg führte sie über den CDU-Ortsvorsitz bis in die Hamburgische Bürgerschaft (2011 bis 2017), wo sie als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und schulpolitische Sprecherin fungierte.

Thüringen: Helmut Holter (Die Linke) ist seit 2017 Minister für Bildung, Jugend und Sport und im Amtsjahr 2018 Präsident der Kultusministerkonferenz. Zuvor war er von 1998 bis 2006 Minister für Arbeit und Bau des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie von 2009 bis 2016 Vorsitzender der Linken-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.
Nach dem Abitur absolvierte Holter ein Studium an der Bauingenieurhochschule in Moskau, das er 1976 als Diplomingenieur für Betontechnologie beendete. Danach war er als Technologe und ab 1979 als Produktionsleiter im VEB Beton Nord tätig. Von 1981 bis 1985 war er hier Sekretär der SED-Betriebsorganisation.1985 begann er ein Studium an der Parteihochschule der KPdSU in Moskau, das er 1987 als Diplom-Gesellschaftswissenschaftler abschloss. Anschließend war Holter bis 1989 in der Abteilung Bau/Verkehr/Energie bei der SED-Bezirksleitung Neubrandenburg tätig.

Das Ergebnis ist einigermaßen niederschmetternd:

Eine pädagogische Ausbildung können nur 3 Minister (18 Prozent) vorweisen: Sibler (Bayern) und Rabe (Hamburg) sind studierte Gymnasiallehrer, Scheeres (Berlin) ist Diplompädagogin. Offenbar wirkt sich Fachwissen positiv auf die Amtszeit aus: Rechnet man beim bayerischen Kultusminister seine Zeit als Staatssekretär hinzu, so waltet er schon zirka 10 Jahre seines Amtes, die beiden anderen etwa 8 Jahre. Die durchschnittliche Verweildauer der Kollegen liegt bei weniger als 3 Jahren.

Allerdings ist eigene Unterrichtserfahrung bei den Kultusministern ein seltenes Gut: Gerade einmal 1 Jahr (nach dem Referendariat) beträgt sie beim Bayern Sibler, der Kollege aus Hamburg hält den Rekord von knapp 6 Jahren. Birgit Hesse (Meckpomm) war immerhin früher Polizistin – heute eine nicht zu unterschätzende pädagogische Qualifikation!

Was haben die anderen gelernt? Abitur haben sie alle, ein Hochschulstudium abgeschlossen ebenfalls – bis auf die Ministerin aus NRW. Die „politische Allzweckwaffe“ Jura studiert haben ganze 6 (35 Prozent), der Rest kommt aus dem wirtschaftlichen Bereich (3) und den Sprach- und Gesellschaftswissenschaften (4). Einen naturwissenschaftlich-technischen Hintergrund weist genau einer auf: der Thüringer Holter. Kein Wunder, dass gerade dieser Bereich in der deutschen Bildungspolitik sträflich vernachlässigt wird – und bildungspolitische Entscheidungen eher nach rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten getroffen werden!

Die meisten heutigen Bildungspolitiker haben schon sehr früh eine Partei-Karriere verfolgt. Die Wahl des Studienfachs war wohl auch vom Gedanken begleitet, später politisch möglichst vielfältig einsetzbar zu sein. Ein spezielles pädagogisches Interesse wird nur in wenigen Fällen ersichtlich: man war halt schon alles Mögliche – und nun auch mal Bildungsminister!  

Um an allgemeinbildenden Schulen unterrichten zu dürfen, benötigt man in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit zwei Staatsexamina. Über das Wohl und vor allem Wehe der Dreiviertelmillion deutscher Lehrer entscheiden darf man auch als Fachfremder. Die nötigen Informationen muss man sich dann halt von der Ministerialbürokratie heraufreichen lassen. Zumindest sitzen dort etliche Lehrer, wobei Kollegen, die ins Ministerium berufen werden, nach meinen Erfahrungen meist folgende Trias aufweisen:

·         hervorragende Examensnoten
·         windschnittige Anpassungsfähigkeit
·         maximal desaströse Unterrichtsergebnisse

Beamtenrechtlich bleibt also nur der Sturz die Treppe hinauf… Oder man fragt Experten, die Schüler meist auch nur aus der Ferne kennen.

Ich gestehe, vor meiner Recherche nicht mit solch katastrophalen Ergebnissen gerechnet zu haben. Nach meiner Ansicht ist jahrelange Unterrichtserfahrung bei schulischen Entscheidungen absolut notwendig. Selbst bei Schulleitern, die einige Jahre nicht mehr vor einer Klasse stehen, machen sich oft erschreckende Realitätsverluste bemerkbar. Wie sieht es erst bei Leuten aus, welche ihre Eindrücke lediglich aus der eigenen Schulzeit beziehen?

Gerade Bildungsminister-Posten gelten wohl bei Kabinettsbesetzungen – nach Verteilung der Schlüsselministerien – eher als Proporz- und Verschiebebahnhof. Dafür sprechen kurze Amtszeiten und fehlende fachliche Eignung. Ein Paradebeispiel ist die neue Bundesministerin dieses Ressorts: Als gelernte Wirtschaftlerin und Hotelfachfrau kann sie vielleicht über Qualität und Kalkulation des Mensaessens befinden, über kopfschüssige Rechtschreibmethoden kaum. Wie sie zu diesem Amt gekommen ist, mutmaßten Medien wie der „SPIEGEL“: „Weil sie eine Frau und katholisch ist – und aus Nordrhein-Westfalen kommt“. Ihrer Fachfremdheit möchte sie nach eigener Aussage damit begegnen, „die richtigen Fragen zu stellen“.

Schön und gut – aber ein paar Antworten wären auch nicht schlecht…
Ein bisschen Schifferl fahren und Sprechblasen produzieren wird nicht reichen:





Quellen:
nebst den Links zu den einzelnen Personen

Mittwoch, 26. September 2018

Und die Fibel hat doch recht


Vor einem knappen Jahr hatte ich diesen bildungspolitischen Wahnsinn bereits angeprangert:

Es geht um „reformpädagogische“ Methoden im Deutschunterricht: So dürfen Schüler beim Konzept „Lesen durch Schreiben“ (auch „Schreiben nach Gehör“) die Wörter nach eigenem Gusto gestalten – orthografische Korrekturen erfolgen nicht, damit die armen Kleinen nicht „frustriert“ werden. Ebenso up to date war offenbar die „Rechtschreibwerkstatt“, wo den Kindern Material zur Verfügung gestellt wurde, das sie individuell und ohne Zeitvorgaben bearbeiten sollten. Als veraltet galt die Beschulung via  „Fibel“ – also die klassische Art, Wörter Buchstabe für Buchstabe strukturiert richtig schreiben zu lernen.

Immerhin hatte die Bildungsministerin Baden-Württembergs bereits letztes Jahr – alarmiert durch schlechte Testergebnisse – die Abkehr von den Reformmethoden befohlen. Nun scheint man auch bundesweit auf dem Rückzug:

Eine Studie der Universität Bonn an 3000 Grundschülern Nordrhein-Westfalens hat klar erwiesen, dass die neuen Ansätze weit schlechtere Ergebnisse produzieren als die hergebrachte Verwendung der Rechtschreibfibel: Am Ende der 4. Klasse machten „Lesen durch Schreiben-Schüler“ im Schnitt 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler als die „Fibelkinder“, die aus der „Rechtschreibwerkstatt“ sogar 105 Prozent. Auch insgesamt ist die Entwicklung desaströs: Der „Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU von Ende 2017 zufolge kann jeder fünfte Zehnjährige in Deutschland nicht so lesen, dass er den Text auch versteht. Und der bei Viertklässlern erhobene IQB-Bildungstrend 2016 ergab, dass nur 55 Prozent orthografische Regelstandards erreichen oder übertreffen.“

Übrigens kommt die Studie auch zu dem Ergebnis, gerade Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache beherrschen, profitierten besonders von der Fibel-Methode…


Aus dem Tiefschlaf gerissene Schul-Promis wie die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und der Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger fordern nun die Umsetzung der Studienergbnisse in die Praxis, um „möglichst schnell weiteren Schaden von unseren Grundschulkindern abzuwenden“, so Meidinger. Und selbst der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter (Die Linke), meint, die Studie gebe wichtige Hinweise…

Wahrscheinlich wird man hierzu eine „Experten-Kommission“ einsetzen. Damit ist man dann wieder einmal Teil des Problems statt der Lösung. Es gibt hierzulande eine immer weiter ausufernde „Expertokratie“: In der Bildung bedeutet dies, Entscheidungen an professoralen Klugschwätzern zu orientieren, die Schüler vornehmlich aus Statistiken und Blicken durch Einwegspiegel kennen, jedoch nie auch nur einen einzigen Tag (in voller Länge!) unterrichtet haben.

In Deutschland gibt es doch zehntausende Grundschullehrer mit einer zweistelligen Zahl von Dienstjahren. Warum hat man diese erfahrenen Kollegen nicht mal gefragt, ob sie meinten, Schüler lernten richtig zu schreiben, wenn man ihre Wortschöpfungen unkorrigiert stehen ließe? Wie wichtig in der Bildung Struktur und nicht zielloses Herumwursteln in der „Rechtschreibwerkstatt“ ist? Dass Frust genauso zum Auslöschen von Falschem gehört wie Motivation das Ergebnis von Richtigem ist?

Ich halte es für die Mutter allen Übels, dass man sich hierzulande – ob bei Bildung, Nasenbohren oder Tango – immer mehr auf „Experten“ und sonstige angeblich zertifizierte Existenzen verlässt, anstatt zumindest auch den eigenen, mehr oder weniger gesunden Menschenverstand zu bemühen – ja sich vielleicht sogar auf das persönliche „Bauchgefühl“ zu hören: Oft genug hat man recht mit der Vermutung, dass etwas, das aussieht, riecht und sich anfühlt wie Käse, auch einer ist!

Bildungsfunktionäre sind jedenfalls mit der Produktion von Blödsinn noch lange nicht fertig:

„Der Bildungsverband VBE zeigte sich hinsichtlich der neuen Ergebnisse skeptisch. Grundsätzlich sei es ‚nicht zielführend‘, die Rechtschreibfähigkeit als einzelnen Aspekt losgelöst von allen anderen Lernprozessen zu untersuchen. Der Vorsitzende Udo Beckmann meint: ‚Eine einseitig festgelegte Rückkehr zum Unterricht mit der Fibel ist keine Lösung.‘"

Bei der Beachtung eines Mindestmaßes an Vernunft hätte man sich auch in Bayern 14 in den Sand gesetzte Jahre erspart, in denen Schüler und Lehrer mit der Stoiberschen „Reform“ eines achtjährigen Gymnasiums überzogen wurden. Dabei hätten alle am Gymnasium Beteiligten, inklusive der Hausmeister und Putzfrauen, von vornherein erkennen können, dass Edmunds Vision von einer achtjährigen Ausbildung mit besseren Lernergebnissen als die neunjährige Version genau das war, wonach sie sich anhörte: Bullshit.

Immerhin war es der momentan an der Innenpolitik grandios scheiternde Horst Seehofer, der endlich den Irrsinn mit Wirkung dieses Schuljahres abstellte – und Markus Söder ersetzte anschließend aus Pietätsgründen den bislang amtierenden Kultusminister. Hoffentlich werden seine Ex-Kollegen aus den anderen Bundesländern auch mit der „Reformpädagogik“ im Fach Deutsch so verfahren und damit „Analphabeten aus eigener Fertigung“ in Zukunft vermeiden.

Auch dazu hatte ich vor zwei Jahren schon einen Artikel verfasst:   


Nun möchte ich ja gar nicht so recht haben wie der Autor Werner Keller mit seinem Bestseller:
Viel lieber wäre es mir, nicht (weitgehend unbeachtet) gegen offensichtliche Idiotien anschreiben zu müssen.

Und immerhin schafft man es ja in Politik und Bildung gelegentlich, krassen Unsinn zu korrigieren: So werden auch illoyale Verfassungsschutz-Präsidenten dann doch nicht befördert und Fraktionsvorsitzende – trotz gegenteiliger Experten-Vorhersage – abgewählt.

In einer Sparte jedoch sehe ich die Erfolgschancen als äußerst gering an: Ich werde es wohl im traditionellen Tango nicht mehr erleben, dass man auch Musik nach 1955 als „tanzbar“ ansieht. Aber dort regieren ja nicht Experten, sondern Gurus



P.S. Wer seine eigenen Rechtschreib-Fähigkeiten einmal testen will:
  http://www.spiegel.de/quiztool/quiztool-67136.html