Freitag, 24. Juli 2015

Helikopter-Eltern: Wirbel garantiert



„Unter Helikopter-Eltern (…) versteht man populärsprachlich überfürsorgliche Eltern, die sich (wie ein Beobachtungs-Hubschrauber) ständig in der Nähe ihrer Kinder aufhalten, um diese zu überwachen und zu behüten. Ihr Erziehungsstil ist geprägt von (zum Teil zwanghafter oder paranoider) Überbehütung und exzessiver Einmischung in die Angelegenheiten des Kindes oder des Heranwachsenden.“
(aus Wikipedia)

Lehrer, Sekretärinnen (und ausnahmsweise hier auch die Mitglieder von Schulleitungen) leiden an sehr häufigen Kontakten mit einer Elternspezies, welche mit Argusaugen jegliches schulische Geschehen überwacht und auf allfällige „Ungerechtigkeiten“ scannt. Selbstredend werden im häuslichen Ranking die fachlichen und pädagogischen Leistungen des schulischen Personals täglich upgedatet und speziell so genannte „Horrorgeschichten“ (natürlich aus Schülersicht erzählt) penibel festgehalten.

So ist man bei irgendwelchen schulischen Eingriffen negativer Art (Ermahnungen, Sanktionen, schlechten Noten oder gar dem Nichtbestehen von Prüfungen oder des Vorrückens) bestens präpariert. Obwohl die Wahl der jeweiligen Schule oft genug freiwillig erfolgte, wird nun festgestellt, dass selbige sowieso „einen ganz schlechten Ruf“ habe und ein derartig unpädagogisches Vorgehen ja zu erwarten war. Unverzüglich kommt es zum Missbrauch des Telefons, um auf der Stelle eine Rücknahme der Entscheidung zu fordern – und zwar sofort höheren Orts, also zumindest beim Chef, wenn nicht gleich bei der Schulaufsichtsbehörde. Die Bitte, dies doch zunächst mit der betreffenden Lehrkraft zu besprechen, wird – wie auf Kreuzfahrtschiffen – mit der böswilligen Verweigerung des Upgradings noch übler attackiert – da will man dann schon, wie sonst auch, die Außenbordkabine mit Balkon…

Typisch für derartige Eltern ist, dass man die Schule als Dienstleister versteht, welcher das erstrebte Produkt gefälligst in hoher Qualität zu liefern habe: Gefragt ist da allerdings nicht die Bildung, sondern der entsprechende Abschluss, um Sohnemann oder Tochterfrau den standesgemäßen gesellschaftlichen Aufstieg zu garantieren. Das „Kleingedruckte“ im Vertrag, welches im Gegenzug gewisse Leistungen sowie ein adäquates Verhalten des Schülers verlangt, wird völlig ignoriert. Wenn schon daheim die Kinder nicht spuren, dann wenigstens das Bildungsinstitut!

Inhaltlich (hier ein hartes Wort) ist es übrigens nebensächlich, ob man der Schule einen Verstoß gegen Vorschriften anlastet oder nicht. Im ersten Fall wird gerne der Familienanwalt ins Feld geführt, um entsprechende Rechtsmittel einzulegen und den Widerpart seinerseits zur Abfassung seitenlanger Schriftsätze zu zwingen. Kann man dagegen bei schlechtestem Willen keinen Paragrafen finden, macht man der Bildungseinrichtung genau das zum Vorwurf: Dort werde eben in niedrigster Beamtenmentalität „stur nach Vorschrift“ verfahren – ohne jegliches Feingefühl, keinerlei Eingehen auf die „speziellen Probleme“, welche ja den Sprössling so einzigartig machten.

Nach Möglichkeit sucht man sich dann noch andere Eltern, um gemeinsam via Leserbriefen in der Lokalzeitung oder per Shitstorm im Internet die „skandalösen Zustände“ anzuprangern. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus (Buchautor zu diesem Thema) schätzt den Anteil dieser Population an den Gymnasien auf 10 bis 15 Prozent – als Mehrheit zwar (noch) nicht tauglich, doch für eine Rufschädigung allemal ausreichend.

Interessant und leider sehr zutreffend sind in diesem Zusammenhang die
Erkenntnisse des Kinder- und Jugendpsychiaters Dr. Michael Winterhoff
(„Warum unsere Kinder Tyrannen werden“, Goldmann Verlag München). Er sieht hier die Beziehungsstörung der „Symbiose“: Den Wegfall der Wahrnehmung des Kindes als eigene Person, indem dessen Psyche mit der des Erwachsenen verschmilzt. Damit wird es sozusagen zum „Körperteil“ der Eltern, welcher gar nichts mehr „falsch“ machen kann. Als Ursache führt Winterhoff an, dass diese sich bereits gegenüber Kleinkindern nicht „abgegrenzt“ (also als eigenständige Persönlichkeit) verhalten, so dass ihr Nachwuchs den Unterschied zwischen Menschen und leblosen
Gegenständen (z.B. einem Stuhl, den man einfach umwerfen kann, ohne dass er sich wehrt) nicht erlernt. Jeder „Angriff“ auf das Kind ist also einer gegen dessen Eltern! Eine Notlösung tut sich daher auf, wenn die Defizite des Schülers nicht mehr wegzudiskutieren sind: Dann sei er halt „krank“ und müsse mit einer Diagnose wie ADHS belegt werden…

Das Tragische an dieser Einstellung ist ja die Vernichtung des Vertrauens, das zu jeder Art von Erziehung und Bildung gehört: Wird einem Kind die Schule als etwas hingestellt, vor dem man sich in Acht nehmen muss, werden Lehrer als Bedrohung seiner „freien Entwicklung“ beschrieben, so entstehen Schüler, denen nichts mehr gefällt, weil sie sich nichts gefallen lassen sollen. Bei den Lehrkräften hingegen wird die berühmte „Schere im Kopf“ etabliert: Ja nichts sagen, was irgendwie zum Vorwurf dienen könnte, alle Handlungen stets auf ihre „Gerichtsfestigkeit“ abklopfen. Erziehung aber erfordert Spontaneität, Emotionen und „Bauchgefühl“ – alles Dinge, welche nicht in Paragrafen zu subsummieren sind.

Was also tun, um sich von Querulanten nicht den letzten Rest an pädagogischem Instinkt abdressieren zu lassen? Als Rat möchte ich eine Regel aus dem amerikanischen Bestseller „House of God“ zitieren, mit der sich angehende Ärzte (sitzen ebenfalls zwischen Baum und Borke) gegenseitig ermutigen: „Der Patient ist derjenige, welcher krank ist.“ Soll heißen: Sie sind die Fachkraft, welche schulische Erziehung und Bildung nach bestem Gewissen (und oft sogar auf der Basis eines Beamteneids) zu organisieren hat. Und die „Helikopter-Eltern“? Trotz allem gilt für sie ein goldener Satz aus der Fliegerei: „Runter kommen sie immer.“ Sollen sie Quatsch beantragen – ein Skandal wäre es erst, wenn sie ihn bekämen!
Und es gibt ja noch Schlimmeres: Eltern, deren Hubschrauber in der häuslichen Garage verstaubt und die ihn erst für den Flug zur Schule anwerfen…

„Guten Tag liebe Eltern,
hinter dieser Tür werden Ihre Fragen nur beantwortet, wenn Sie glaubhaft versichern können, dass
·         Sie Ihrem hier studierenden Kind heute Morgen die Kleidungsstücke zurechtgelegt haben, die es gerade trägt.
·         Sie ihm eine Frühstücksdose mit gesundem Inhalt in den Rucksack gepackt haben.
·         Sie ihm beim Verlassen des Hauses den Reißverschluss an der Jacke zugezogen haben.
·         Sie mindestens noch 30 Sekunden an der Haustür oder am Küchenfenster verfolgt haben, dass es auf dem Weg zur Universität nicht bummelt.“
(Hinweis der Verwaltung der Uni Duisburg-Essen, 2013; zitiert nach Wikipedia)

P.S. Wetten, dass dieser Aushang inzwischen wegen einer Elternbeschwerde abgenommen wurde?

Samstag, 18. Juli 2015

Die Schule – eine Zeitvernichtungsmaschine



„Eine Unterrichtsstunde dauert 45 Minuten.“
(eine der größten Illusionen im Bildungssystem)

Derzeit laufen in meinem Bundesland wieder die berüchtigten zweieinhalb Wochen zwischen den Zeugniskonferenzen und dem Ferienbeginn. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich diese Phase als die stressigste des gesamten Schuljahres empfand. Seit meiner Pensionierung wird dieser Effekt offenbar eher schlimmer: Erste neulich wieder hörte ich die Klage einer Kollegin, bestenfalls dreißig Prozent der Schüler wären in dieser Zeit noch zu sinnvoller Arbeit bereit – den Rest müsse man ständig daran hindern, über Tische und Bänke zu gehen.

Die schulübliche Vergeudung von Ressourcen treibt zu Schuljahresende sicherlich einem Maximum zu: Da werden Beamte des Höheren Dienstes, welche ein abgeschlossenes Hochschulstudium (mit meist sehr guten Noten) absolviert haben, ja nicht nur auf junge Menschen losgelassen, die nix (mehr) lernen wollen – nein, sie dürfen auf diversen Spaßveranstaltungen noch zusätzlich beweisen, wie groß ihre Kompetenzen als Reisebetreuer, Kampfrichter beim Sportfest, Küchenchef beim Waffelbacken oder sonstiger Schulgaudi-Hanswurst sind!

Es gleicht der präökologischen Naivität bei der Verschmutzung der Weltmeere: Diese seien ja unendlich groß, sodass man ruhig Gifte bis zum Exzess einleiten dürfe. Da hat man inzwischen dazugelernt. Im Bildungswesen allerdings wird bis heute die zur Verfügung stehende Masse an Unterricht als grenzenlos betrachtet – da könne schon mal etwas ausfallen – sei es nun für Hitzefrei (ein arbeitsrechtliches No Go), Projekt- und Wandertage, Schulfest oder wie die Alibis auch heißen mögen, welche von der Unfähigkeit Erwachsener zeugen, die Notwendigkeit von Bildung überzeugend vor Minderjährigen zu vertreten. Und – werden zumindest Unterrichtsausfälle durch Erkrankung (statistisch bis zu zehn Prozent) durch Vertretungen aufgefangen – noch dazu durch solche, welche dann tatsächlich Lernstoff vermitteln und nicht nur eine Beaufsichtigung darstellen? Wohl eher nicht.

Selbst wenn Unterrichtsstunden stattfinden, dauern sie kaum einmal wirklich 45 Minuten. Ein pünktlicher Beginn kann ja höchstens für die erste Stunde oder nach Pausen erwartet werden. Schon am Morgen jedoch stellen sich Zeitverzögerungen ein, welche vor allem von dem Verkehrschaos vor dem Bildungsinstitut herrühren, da die heutigen Eltern ja ihren adipösen Nachwuchs (nachdem sie ihn per Flaschenzug aus dem Bett gehievt haben) bis direkt vors Schultor karren müssen. (Liebe Direktoren, die ihr doch sonst so gerne dienstliche Anweisungen gebt: Da könntet ihr einmal echten Mut beweisen: Fass…)

Zu den restlichen Lehrterminen müssen sich ja Schüler oder Lehrer erst einmal per pedes begeben, was schon mal (selbst wenn man nicht bummelt) fünf Minuten beansprucht. Sollte man seinem Erziehungsauftrag schon nachgekommen sein, mithin seine Schutzbefohlenen nicht erst von der Notwendigkeit von Bildung überzeugen müssen, kann man dennoch oft nicht gleich anfangen, falls der Kollege nebenan nicht ähnlich gepolt ist – sprich, seine Klasse noch minutenlang die Lautstärke eines startenden Düsenjets simuliert. Na gut, in der Zeit kann man ja den üblichen Versiffungsgrad von Klassenzimmern durch diverse Putzaktionen und Materialbeschaffung einschränken. („Wer holt denn jetzt mal Kreide?“) Weiterhin darf man die Schlange vor dem Pult abarbeiten und so erfahren, wer warum welches Heft vergessen bzw. die Hausaufgabe nicht verstanden hat. Zudem fehlen noch einige Schüler, da die Kollegin Zickendraht eine kurze Besprechung ihres Projekts „Müll als Kunst“ für unvermeidlich hält. Ist man endlich in die Gänge gekommen, freut man sich – kurz vor dem Höhepunkt der Stunde – noch auf die übliche Lautsprecherdurchsage, welche zwar nur den Kurs „Dramatisches Gestalten“ betrifft - es ist aber schön, einmal davon gehört zu haben… (Sollte ich im nächsten Leben wieder Lehrer werden, würde ich neben dem Rotstift stets eine kleine Metallzange für die Lautsprecherdrähte mit mir führen – als bildungspolitische Notwehr!)

Wir müssen also gar nicht die üblichen Zeitverschwendungsphasen im Schuljahr betrachten wie die Spekulatiusorgien vor dem Christfest, die Pappnasentage im Fasching, das Ostereiersuchen oder den Schuljahresschluss-Wahnsinn: Schon zu den normalen Zeiten schafft es der durchschnittliche Lehrer nicht, mehr als ein Netto von dreißig Minuten vom Bruttoangebot einer Unterrichts-Dreiviertelstunde herauszuholen. Schon von daher könnten wir ein Drittel des Bildungsetats der öffentlichen Haushalte als Spende an Griechenland überweisen in der Hoffnung, dass man dort mit dem Geld Sinnvolleres anstellt.

Um die derzeit vom Schuljahresende gepeinigten Kollegen noch mit einer kleinen Alternative zu erfreuen: Wenn es denn so ist, dass heute viele Schüler ohne Notendruck nicht mehr zu bändigen sind – warum dann nicht bis zum letzten Schultag unterrichten und prüfen? Ich würde anschließend gerne noch zwei bis drei Tage opfern, um in aller Ruhe meine Noten einzutragen, die Zeugnisse zu erstellen und mich in einem erfreulich leeren und stillen Schulhaus mit den Kollegen zu den betreffenden Sitzungen einzufinden – so ganz ohne Stress. Die Zeugnisse könnten die Schüler ja dann einige Tage später (oder zu Schuljahresbeginn) im Sekretariat abholen. Warum sollte das nicht gehen? Nur, weil wir es noch nie gemacht haben? Und die zu erwartenden Proteste? Keine Angst, die haben ja das G 8 auch nicht verhindert…

Apropos: Bei all der Zeitverschwendung hatten wir natürlich schon lange kein neunjähriges Gymnasium mehr und sind mittlerweile längst im G 7 angekommen. Und wieso beginnen in meinem Bundesland die Abiturprüfungen eigentlich schon Ende April? Grund für diese Vorverlegung war ja sintemalen der frühe Einberufungstermin zum Wehrdienst. Der ist inzwischen längst abgeschafft – wohl im Gegensatz zum Einfluss der Tourismus-Lobby, damit die Damen und Herren Abiturienten vor dem Studium noch genügend Zeit haben, sich an Spaniens Stränden noch die Basis für eine spätere Leberzirrhose zu besorgen. Und ich darf mir inzwischen die Finger wund telefonieren, wenn ich für einen Auftrag einen guten Handwerker statt einen mittelmäßigen Akademiker brauche.

Bildung braucht – wie guter Wein – Zeit. Derzeit haut man viel zu früh nach der Lese den Stopsel drauf und hofft, das Gebräu möge noch in der Flasche nachgären. Ersatzweise pappt auf dem Behältnis dann ein prunkvolles Etikett. Ich halte es da mit dem Kabarettisten Werner Schneyder, der zum einstigen Glykol-Skandal sagte: „Wer für eine Mark achtundneunzig ein Spätlese will, der gehört vergiftet.“

P.S. Ich habe natürlich nicht die geringste Hoffnung, dass irgendwelche Zentralfiguren unseres Bildungssystems meinen Ideen Beachtung schenken. Wie man aber weiß, stirbt die Hoffnung ja zuletzt. Davor allerdings wird es die Schule erwischen.

Donnerstag, 16. Juli 2015

Sind die Lehrer noch zu retten?

Wenn man ein Blog mit diesem Begriff einrichtet, ist dies doch eine naheliegende Frage!

Viele Außenstehende würden schon die Notwendigkeit einer Rettung bezweifeln: In ihren Augen sind die Menschen, welche Bildung verbreiten sollen, „faule Säcke“ (so das Zitat eines Altkanzlers), die nur halbtags arbeiten, zu lange Ferien haben, im Unterricht dummes Zeug schwafeln und dafür – inklusive Pensionsanspruch – fürstlich entlohnt werden. Auf die Gegenfrage, warum die Kritiker dann nicht selber einen solchen „Traumberuf“ gewählt hätten, wird meist halbherzig zugestanden, sich eher nicht so gerne in den Clinch mit den „heutigen Kids“ begeben zu wollen.

Ärzte gar fallen als Retter unseres Berufsstandes völlig aus: Immer wieder muss ich hören, Lehrer seien grauenhafte Patienten, da sie den Kontrollverlust fürchteten, wenn sie sich in Behandlung begäben. Ihre „Compliance“ (oder moderner „Adherence“) sei daher gleich null. Nun, vielleicht sollten Mediziner das vertikale Verhältnis zu ihren Patienten einmal um neunzig Grad drehen – aber ihre eigene Angst vor dem Machtverfall wird das wohl verhindern…

In den Augen der Eltern sind Lehrer oft genug „unfähig“, da sie es nicht fertig bringen, in einer Klasse mit dreißig Schülern innerhalb eines Schul-Mikrokosmos von gelegentlich mehr als tausend Beteiligten die Individualität ihres Sprösslings ausreichend zu würdigen, was den Erzeugern mit ihrem Einzelkind am heimischen Herd mühelos gelingt – sollten sie sich dort einmal aufhalten.

Die Vorgesetzten der Pädagogen möchten von Problemen ihrer Untergebenen (welche sie „Kollegen“ nennen) möglichst verschont werden: Schließlich haben sie sich jahrelang karrieremäßig abgestrampelt, um selber (fast) keinen Unterricht mehr geben zu müssen – und nun soll sie all das wieder einholen? Lieber kümmern sie sich um den neuen Schulentwicklungsbericht…

Die Schüler schließlich reagieren enttäuscht und genervt darauf, dass ihnen vorbildhaftes Erwachsensein weitgehend unterschlagen wird. Stattdessen erleben sie – nicht nur im Klassenzimmer – häufig Personal, welches ihnen via Cargohose, Kapuzenpulli, Rucksack plus niedriger Sprachebene vorzugaukeln versucht, es sei so ähnlich wie sie. Da sie davon aber schon mehr als genug haben, müssen solche Versuche fehlschlagen.

Das Schlimmste aber ist, dass Lehrer gemeinhin gar nicht an Rettung von außen denken. Vielmehr halten sie ihre Probleme für hausgemacht: Tief in der Pädagogenseele verwurzelt ist das Gefühl, welches in allen Sozialberufen ruinös wirkt: nicht genug zu leisten, sich – trotz warnender Krankheitssignale – noch immer unzureichend zu verausgaben. Ersatzweise wird dann viel zuviel geredet (siehe „Logorrhö“ – die natürlich ins Leere läuft, da ihnen keiner zuhört) und noch mehr gejammert (noch vergeblicher).

Dies war 2012 – nach 35 Jahren Schuldienst – der Grund, mein Buch „Der bitterböse Lehrer-Retter“ zu veröffentlichen. Oft genug machte es mich fassungslos, wenn Kollegen sich standhaft weigerten, einfache Lösungen zu verwirklichen – nur aus der Angst heraus, die übrigen Beteiligten könnten sich darob mit Schnappatmung auf dem Teppich wälzen. Na und? Das ist doch ihr Problem, und sie helfen ja bei unseren Schwierigkeiten auch nicht!

In der oben verwendeten Reihenfolge (und leicht kabarettistisch übertrieben) lauten solche Befreiungsschläge beispielsweise:

  • Da fast alle Menschen hierzulande einmal (irgend)eine Schule besucht haben, glaubt inzwischen jeder Depp, in Bildungsfragen mitreden zu können. Solchen Zeitgenossen muss man verdeutlichen, dass sie einer sind und es nicht können.
  • Gerade Ärzte (oder Juristen), welche uns mit ihrem Nachwuchs im Klassenzimmer nicht selten sehr viel Freude bereiten, sollten sich lieber einmal mit der Problematik eines Studiums befassen, welches dem Auswendiglernen von Telefonbüchern nahekommt und daher ein lausiges Transfervermögen plus null Sozialkompetenz liefert.
  • Zeitgenossen, welche lediglich bewiesen haben, dass sie zur Zeugung von Nachwuchs fähig sind, sonst aber oft genug über die Erziehungskompetenz von Autisten verfügen, haben nicht den mindesten Grund, sich in unsere schulischen Entscheidungen einzumischen. Wir können sie ihnen erklären, falls sie es kapieren (wollen) – mehr nicht.
  • Personen, welche in ihren lauschigen Büros – vor jungen Menschen durch mindestens zwei Sekretärinnen geschützt – residieren, sollten dort bleiben und sich weiterhin nur mit Dingen beschäftigen, bei denen sie wenig Schaden anrichten können: also nicht mit Unterricht und keinesfalls mit dessen Bewertung!
  • Die Schüler allerdings haben es verdient, Erwachsene zu erleben – und zwar analog, nicht digital – die ihnen klare Maßstäbe, ein solides Wissen und beste Fähigkeiten vermitteln. Dies alles traut man nur seriösen Alphatieren zu und nicht herumalbernden Berufsjugendlichen.

Das mag hart und provozierend klingen – und soll es auch. Irgendwo ist uns die Einsicht verloren gegangen, dass Konflikte nicht die Erziehung gefährden, sondern ihr notwendiger Bestandteil sind. Die dialektische Erkenntnis, dass man durch Widersprüche zur Wahrheit gelangt, versackt in unseren Bildungseinrichtungen im gutmenschigen Akzeptanz-Gedudel.

Wer mehr von solchen haarsträubenden Ideen lesen möchte, kann sich ja einmal auf meiner Website umsehen (www.robinson-riedl.de) oder im Extremfall mein Buch bestellen. Wie bei meinen anderen Blogs gilt auch hier: Sie sind werbefrei – mit Ausnahme des Marketings meiner Bücher.

Es würde mich freuen, wenn Sie die eine oder andere Idee für nützlich hielten (merkt man meist erst, wenn man sie ausprobiert hat) und dann hier per Kommentar darüber berichten. Selbstverständlich dürfen Sie mir ebenfalls mitteilen, welch ewiggestrigen Unsinn ich verbreite – beides allerdings, wie in meinen anderen Foren – unter zwei Bedingungen: mit wahrem Namen und ohne persönliche Herabsetzungen.

Ach ja, nun habe ich die Ausgangsfrage noch nicht beantwortet:
Sind die Lehrer noch zu retten?
Mir fällt dazu nur das ein, was ich bereits im Buch geschrieben habe:

Lehrer schon, die Lehrer nicht.

Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Gerhard Riedl